Straßenverkehr erschüttert Wohnung: Preisminderung

Wie ist damit umzugehen, wenn eine neu erworbene Wohnung von äußeren Einflüssen (wie Straßenverkehr) derart erschüttert wird, dass sie kaum bewohnbar ist, der Verkäufer die Ursachen aber nicht beeinflussen kann? 

Der Käufer einer Dachgeschosswohnung in Wien Döbling war buchstäblich erschüttert: Nach dem Kauf einer Eigentumswohnung (Kaufpreis rund € 500.000,00) stellte er fest, dass durch den nahegelegenen Schwerverkehr regelmäßig starke Erschütterungen in der Wohnung auftraten – auch nachts. Grund dafür waren Straßenunebenheiten und ein unglückliches Zusammenspiel zwischen den Erschütterungen und der Eigenfrequenz des Dachgeschossausbaus. Die auftretenden Schwingungen überschritten regelmäßig die zulässigen Richtwerte laut ÖNORM S 9012. Die Verkäuferin lehnte eine Behebung des Mangels ab. Der Käufer forderte von der Verkäuferin eine Preisminderung von € 40.000,00, da die Wohnung aufgrund der Erschütterungen für Wohnzwecke nicht geeignet sei. 

Im Zentrum der rechtlichen Beurteilung stand die Frage, ob ein gewährleistungsrechtlicher Mangel im Sinne des § 922 ABGB vorliegt, wenn die Mangelhaftigkeit aus nicht beeinflussbaren externen Umständen resultiert. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (OGH) haftet der Übergeber für sonstige Mängel gemäß § 922 ABGB verschuldensunabhängig, unabhängig davon, ob die Sache zum Zeitpunkt der Übergabe dem Stand der Technik entsprach. Entscheidend ist die berechtigte Erwartung des Käufers, gemessen an der Verkehrsauffassung. Der OGH stellte zudem klar, dass es keinen Unterschied macht, ob die Ursache technisch beeinflussbar ist oder nicht – auch externe Faktoren, wie hier die Straßenbeschaffenheit, können zur Mangelhaftigkeit führen. Eine mögliche spätere Verbesserung, etwa durch Straßensanierung, ändert nichts am Anspruch auf Preisminderung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses.

Die ersten beiden Instanzen waren einhellig der Auffassung, dass eine Eigentumswohnung – selbst an einer vielbefahrenen Straße – gewöhnlich keine Schwingungen aufweisen darf, die die zulässigen Richtwerte übersteigen. Die Untergerichte gewährten dem Käufer daher dem Grunde nach einen Anspruch auf Preisminderung. Die Verkäuferin erhob außerordentliche Revision, die der OGH jedoch zurückwies: Es liege keine erhebliche Rechtsfrage vor. Das Höchstgericht bestätigte die Mangelhaftigkeit der Wohnung und stellte klar, dass der Gewährleistungsanspruch auch dann besteht, wenn der Mangel erst durch das Zusammenwirken mit externen Faktoren entsteht.

Diese Entscheidung macht deutlich, dass es rechtlich – sowohl für Käufer als auch für Verkäufer – wichtig ist, nicht nur die technische Bauausführung, sondern auch mögliche externe Einflüsse zu berücksichtigen und bei der Bemessung des Verkehrswertes bereits im Voraus („ex ante“) zu beachten. Die berechtigte Erwartung des Käufers an die Beschaffenheit der Wohnung, gemessen an der üblichen Verkehrsauffassung, steht im Mittelpunkt und kann einen Gewährleistungsanspruch auch bei Mängeln begründen, die aus nicht beeinflussbaren äußeren Umständen resultieren.

OGH 14.11.2024, 5 Ob 53/24s

11.12.2024

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