Software mit Schönheitsfehlern vor Gericht

Immer wieder ergeben sich bei der (vor allem maßgeschneiderten) Entwicklung von Softwarelösungen Problem, die zu Streitigkeiten zwischen Kunden und Softwareentwiklcer führen. In seinem Beschluss vom 27. Mai 2025 hatte sich der Oberste Gerichtshof (OGH) mit einer außerordentlichen Revision einer (beklagten) Softwarelieferantin auseinanderzusetzen. Gegenstand des Verfahrens war ein Wandlungsbegehren aufgrund von Mängeln an einer eigens für ein Leckortungsunternehmen entwickelten Softwarelösung. Der OGH wies die Revision zurück, da keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vorlag. Die Entscheidung enthält wesentliche Klarstellungen zur Abgrenzung bloß geringfügiger Mängel bei Softwareverträgen und zur Anwendung der Gewährleistungsregeln nach § 932 ABGB aF.

Die Klägerin beauftragte im Frühjahr 2021 die Beklagte mit der Entwicklung einer integrierten Softwarelösung für das Berichtswesen, Rechnungslegung und Terminmanagement, inklusive Lieferung von Tablets. In den Vorgesprächen wurden bestimmte Anforderungen spezifiziert, insbesondere die Möglichkeit zur Mehrfachverwendung von Fotos in automatisch generierten Berichten. Dieses Detail wurde allerdings nicht ausdrücklich thematisiert. Der Auftragswert betrug rund 39.000 EUR und wurde vollständig bezahlt.

Nach der Implementierung stellte sich heraus, dass Fotos im Bericht nicht mehrfach eingefügt werden konnten – bei Mehrfachverwendung fehlte zumindest ein Bild, ohne dass eine Fehlermeldung angezeigt wurde. Zusätzlich wiesen die Berichte Formatierungsfehler auf, die aus Sicht der Klägerin einen unprofessionellen Eindruck hinterließen. Aufgrund von Kundenbeschwerden stellte die Klägerin die Nutzung der Software bereits nach 14 Tagen ein. Sie begehrte daraufhin die Wandlung des Vertrags sowie Rückzahlung des Kaufpreises (abzüglich einer Förderung), da die Software funktional nicht einsetzbar sei. Die Beklagte wandte ein, dass nur unerhebliche Mängel („Unschönheiten“) vorlägen, die die Funktionsfähigkeit der Software nicht wesentlich beeinträchtigten.

Sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht gaben dem Klagebegehren statt.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) bestätigte die Rechtsansicht der Vorinstanzen und wies die außerordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage gemäß § 508a Abs 2 ZPO i.V.m. § 502 Abs 1 ZPO zurück. Er stellte klar, dass es keiner neuen höchstgerichtlichen Leitentscheidung bedürfe, wenn sich die konkrete Rechtsfrage – wie hier – anhand bestehender Rechtsprechung durch Interessenabwägung lösen lasse.

Die Untergerichte hätten nach Meinung des OGH zutreffend berücksichtigt, dass nicht nur die fehlerhafte Bildfunktion, sondern auch Formatierungsprobleme zu einer schwerwiegenden Einschränkung der Nutzbarkeit führten. Es handle sich nicht um bloße „Schönheitsfehler“, sondern um eine funktionale Beeinträchtigung des vereinbarten Leistungszwecks. Die Klägerin habe nachvollziehbar dargelegt, dass der Einsatz der Software im operativen Geschäft unmöglich sei. Auch der Kostenaspekt war von Relevanz: Die Behebung der Bildfunktion hätte zwischen 2.400 und 12.000 EUR gekostet – bei einem Gesamtpreis von rund 39.000 EUR. Der Beklagten wurde auch vorgehalten, weder selbst Nachbesserung angeboten noch die Ersatzvornahme durch Dritte vorfinanziert zu haben.

Die außerordentliche Revision der Beklagten wurde daher zurückgewiesen. Die Entscheidung des Berufungsgerichts, welche die Vertragsaufhebung samt Rückzahlung der Entgeltsumme bestätigte, blieb aufrecht. Die Mängel wurden als nicht geringfügig qualifiziert, was die Klägerin zur Wandlung berechtigte.

Die Entscheidung betont die Relevanz einer präzisen Leistungsdefinition bei Individualsoftwareprojekten. Wird der vereinbarte Vertragszweck – hier die professionelle Erstellung von Berichten für Endkunden – nicht erfüllt, kann selbst bei funktionaler Teilnutzung ein wesentlicher Mangel vorliegen. Unternehmen sollten daher Wert auf eine detaillierte schriftliche Leistungsbeschreibung legen und bei Abnahme Softwarelösungen aus betrieblicher Sicht umfassend testen, oder aber die Rügepflicht nach § 377 UGB ausschließen. Für Softwareanbieter ergibt sich die Notwendigkeit, proaktiv auf Verbesserungserfordernisse zu reagieren und Nachbesserung zumindest anzubieten, um Wandlungsrisiken zu minimieren.

Besonders in Fällen mit hoher Abhängigkeit vom konkreten Einsatzzweck und signifikanten Nachbesserungskosten wird die Schwelle zur Wandlungsberechtigung rasch überschritten. Die Entscheidung liefert somit eine praxisnahe und unternehmensrelevante Konkretisierung des Geringfügigkeitsbegriffs im Bereich der Software-Gewährleistung.

OGH 27.05.2025, 1 Ob 67/25x

27.05.2025

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