Unterlassungsanspruch wegen unerlaubter Aufnahmen im Privatbereich

OGH 23.10.2023, 6 Ob 191/23s

Die Herstellung eines Bildes ohne Einwilligung des Abgebildeten kann eine Verletzung der Privatsphäre und somit auch in der Persönlichkeitsrechte iSd § 16 ABGB bedeuten. Wann ein solcher Eingriff in Persönlichkeitsrechte gerechtfertigt ist, beantwortete der OGH zuletzt im Verfahren 6 Ob 191/23s.

Zwischen den Parteien des Verfahrens herrschte bereits seit geraumer Zeit eine angespannte Situation, weil die Beklagte in einem früheren Verfahren vom Kläger Schadenersatz gefordert hatte. Grund dafür war ein Sachschaden an einer Hausfassade gewesen, den der Kläger herbeigeführt haben soll. Die Beklagte legte die Videoaufnahme eines torkelnden Mannes vor und behauptete, es handle sich um den Kläger. Der Kläger bestritt dies vehement und erklärte, dass er keinen Alkohol mehr trinke und er daher nicht die gefilmte Person sein könne. Um diese Aussage zu widerlegen, fotografierte die Beklagte den Kläger, als dieser in seinem Garten Bier trank.

Der Kläger begehrte in der Folge, das Gericht möge der Beklagten auftragen, das Filmen und Fotografieren auf seiner Liegenschaft zu unterlassen und sämtliche Lichtbildaufnahmen zu vernichten. Das Erstgericht wies beide Begehren ab. Dem Unterlassungsanspruch des Klägers mangle es „an der erforderlichen Wiederholungsgefahr, seien doch der Gesamtheit des Verhaltens der Beklagten gewichtige Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass sie ernstlich gewillt sei, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen. Ein Zuwiderhandeln der Beklagten stehe auch weder unmittelbar drohend bevor noch sei künftiges Zuwiderhandeln ernsthaft zu besorgen“. Dagegen erhob der Kläger Berufung, und schließlich wurde die Angelegenheit vom OGH entschieden.

Entgegen der beiden Vorinstanzen stellte der OGH fest, dass der Eingriff in die Privatsphäre des Klägers nicht mit einem Beweisnotstand gerechtfertigt werden könne, da die Beklagte vorgebracht hatte, die Aufnahmen nur „vorsorglich“ angefertigt zu haben. Derartige Aufnahmen müssten jedoch für die Beweisführung unverzichtbar sein, und die Interessen, die durch die Verwendung des Beweismittels geschützt werden, schwerer wiegen als die Verletzung der Privatsphäre des Betroffenen. Somit liege auch kein Beweisnotstand vor, auf den sich die Beklagte berufen könne.

Die Ansicht der Vorinstanzen, die Beklagte sei ernstlich gewillt, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen, teilte der OGH nicht. Obwohl die Beklagte während des Verfahrens die Fotos und Videos gelöscht und erklärt hatte, keine weiteren Aufnahmen anzufertigen, war der OGH der Ansicht, dass Wiederholungsgefahr bestehe. Er gab der Klage statt.

Mit diesem Urteil zeigt der OGH auf, dass ein Eingriff in die Privatsphäre durch Foto- und Videoaufnahmen nicht bereits durch das Interesse begründet wird, in einem Verfahren über ein besonders beweiskräftiges Beweismittel zu verfügen. Die Rechtsdurchsetzung muss vielmehr ohne die Aufnahmen schlicht unmöglich sein; es müssen die durch die Verwertung der Beweismittel gewahrten Interessen höherwertig sein als das Recht auf Privatsphäre.

14.11.2023

Das könnte dir auch gefallen

Internationaler Urheberrechtsverstoß

Im Rahmen des Regierungsprogramms 2025-2029 plant die Bundesregierung eine steuerliche...

Zuständigkeit für WhatsApp-Beleidigungen

Im Falle der Verbreitung von ehrenbeleidigenden Nachrichten und Informationen über...

Gerichtliche Zuständigkeit im Datenschutz

Das Zusammenspiel der verwaltungsbehördlichen und gerichtlichen Verfahren im Zusammenhang mit...