BVwG 05.04.2024, W287 2259607-1/8E
Allgemein bekannt ist, dass das heimliche Aufnehmen von Mitbürgern (seien es Fotos im Schwimmbad, sei es das Aufnehmen eines Telefonates, ohne dass es der Gesprächspartner weiß oder seien es Videoaufnahmen, gar von intimer Natur) problematisch und in der Regel verboten ist. Allgemein bekannt ist auch, dass man damit zivilrechtliche Probleme schafft, und auf Unterlassung geklagt werden kann. Auch Schadenersatzansprüche sind möglich (§ 1328a ABGB, § 16 ECG). Dass derartige „geheime“ Aufnahmen aber auch eine datenschutzrechtliche Problematik nach sich ziehen, zeigt die nachfolgende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes bzw. – davor – der Datenschutzbehörde:
Im Zuge einer offensichtlich länger bestehenden schlechten Nachbarschaft, filmte ein Bürger einen anderen, Anlass war, dass der Nachbar im Zuge einer Zustelltätigkeit in der Einfahrt gestanden war. Dies wollte der Hobbyfilmer beweisen, auch wollte er die Besitzstörung dokumentieren, und schließlich befürchtete er auch, bedroht zu werden (tatsächlich kam es zur Dokumentation einer im Verlauf des Videos ausgesprochenen Drohung, insofern, als die Frau des Nachbarn festhielt, dass sie den Hobbyfilmer umbringen werde, wenn er dem anderen Nachbarn etwas getan hätte, wobei diese Drohung bei Sekunde 40 des Videos ausgesprochen wurde, und das Video eine Gesamtlänge von 05:06 Minuten aufwies.
Nun möchte man grundsätzlich meinen, dass der Hobbyfilmer im Recht war – so, wie von ihm befürchtet wurde er bedroht, und er brachte auch eine Besitzstörungsklage ein, sowie eine Anzeige bei der zuständigen Polizeiinspektion wegen des Verdachts auf gefährliche Drohung aufgrund der vorzitierten Aussage der Frau des Nachbars.
Sowohl die Datenschutzbehörde als auch das Bundesverwaltungsgericht (letzteres mit der Entscheidung vom 05.04.2024 zu GZ: W 287 2259607-1/8E) stellten aber eine Verletzung des Rechtes auf Geheimhaltung der „mitbeteiligten Parteien“, also: des nachbarlichen Paares, fest. Die Begründung erscheint auf den ersten Blick fragwürdig, bei näherer Betrachtung aber richtig: Zunächst ist festzuhalten, dass jede Verarbeitung personenbezogener Daten einer Rechtsgrundlage bedarf und oft wird Artikel 6 Abs 1 lit f DSGVO bemüht, wonach berechtigte Interessen des Verantwortlichen (also des „Datenverarbeiters“) oder eines Dritten vorliegen müssen, sofern nicht Interessen anderer, insbesondere der betroffenen Person überwiegen.
Es sind also drei Voraussetzungen kumulativ gefordert: Das Vorliegen eines berechtigten Intereses, die Erforderlichkeit der Verarbeitung und kein Überwiegen von Grundrechten und/oder Grundfreiheiten der von der Verarbeitung betroffenen Person.
In vorliegenden Fall kam das Bundesverwaltungsgericht nunmehr zur Erkenntnis, dass – auch vor dem Hintergrund des Grundsatzes des Art 5 Abs 1 lit c DSVGO, bestehend in der Verpflichtung zur Datenminimierung „auf das Unvermeidbare“ – die Aufnahme überbordend war: Einerseits wäre die Besitzstörung auch durch ein bloßes Lichtbild zu dokumentieren gewesen, einer mehrminütigen Videoaufnahme samt Tonaufnahme bedürfe es dafür nicht. Andererseits hätte der Hobbyfilmer/Nachbar nach der erfolgten Drohung noch vier Minuten weitergefilmt, es sei ein ruhiges Gespräch zwischen ihm und der Nachbarin (zumindest nach der erfolgten Drohung) geführt worden und wären auch Zeugen vor Ort gewesen, sodass es also nicht unbedingt notwendig gewesen wäre, hier in aller Ruhe mehrere Minuten weiter zu filmen.
Diese Entscheidung stellt sicherlich einen Grenzfall dar. Das Gericht verlangt hier von – in der Regel rechtsunkundigen – Bürgern in allenfalls emotionalen Situationen eine genaue Interessensabwägung durchzuführen, damit eine „rechtliche Punktlandung“ gemacht werden kann und nicht das Recht auf Geheimhaltung dritter Personen verletzt wird. Vergessen werden darf aber nicht, dass das datenschutzrechtliche Verwaltungsverfahren ein zweigleisiges ist: Einerseits kann es – wie hier – zu einem kontradiktorischen Verfahren kommen, indem sich betroffene Person und Datenverarbeiter gegenüberstehen und indem also festgestellt wird, ob die betroffene Person in ihrem Recht auf Geheimhaltung verletzt wurde oder auch nicht. Andererseits kommt es allenfalls auch zu einem verwaltungsstrafrechtlichen Verfahren, an dem die betroffene Person grundsätzlich nicht teilnimmt und indem ausschließlich die Frage zu klären ist, ob – auf der Grundlage der Feststellung im erstgenannten Verfahren, wonach eben eine betroffene Person in ihrem Recht auf Geheimhaltung verletzt worden ist – auch eine Strafe gegen den Verantwortlichen zu verhängen ist. In jenen verwaltungsstrafrechtlichen Verfahren wird freilich darauf Bedacht zu nehmen sein, dass hier ein Grenzfall vorliegt und nicht zu erwarten ist, dass eine hohe Strafe verhängt wird.
05.08.2024