OGH 04.04.2024, 4 Ob 52/24m
Welche fotografischen Werke werden durch das Urheberrecht geschützt? Muss die Fotografie ein völlig eigenständiges Werk sein oder genügt bereits das künstlerische Verändern eines bereits bestehenden Werkes, damit dem sohin neu geschaffenen Werk ein eigenständiger Schutz zukommt? Fotografie ist weit mehr als das bloße Festhalten von Momenten – sie ist eine Kunstform, die die kreative Vision und technischen Fähigkeiten des Fotografen vereint. Der „Klick auf den Auslöser“ ist das Ergebnis einer – in der Regel – bewussten Entscheidung über Blickwinkel, Beleuchtung und Bildkomposition. Jede derartige geistige Schöpfung verdient Anerkennung, jedenfalls aber (urheber-)rechtlichen Schutz. Ob es sich um ein ikonisches Porträt, die Abbildung einer atemberaubenden Landschaft oder, wie kürzlich vom Obersten Gerichtshof entschieden, um die genaue Ablichtung einer historischen Postkarte handelt – die schöpferische Leistung des Fotografen wird durch das Urheberrecht geschützt und gewürdigt.
Der entschiedene Fall eines emeritierten Gelehrten und eines geschäftigen Philatelisten belegt eindrucksvoll die Bedeutung dieses Schutzes für die Kreativität und Rechte der Fotografen: Der Streit zwischen dem klagenden Briefmarkensammler und dem beklagten Gelehrten entbrannte um eine Postkarte aus dem Jahr 1908, die von dem Philatelisten anlässlich des 90-jährigen Bestehens seines Philatelievereins fotografiert wurde. Es handelte sich dabei um eine Postkarte aus der Sammlung des Philatelisten. Die angefertigte Abbildung wurde in einer Festschrift veröffentlicht. Der emeritierte Gelehrte nutzte dieses Bild sodann aber ohne Erlaubnis für ein Buch über historische Poststempel in Tirol. Dagegen wandte sich der Philatelist, und begehrte Unterlassung – das von ihm angefertigte Foto von der Postkarte dürfe nur er, und niemand anderes, verwenden.
Zunächst wiesen das Landes- und das Oberlandesgericht Innsbruck die Klage des Philatelisten ab, weil sie der Meinung waren, dass das Abfotografieren einer Postkarte keine schützenswerte Leistung darstelle. Anders gesagt: das – nur die Postkarte zeigende – Lichtbild sein kein geschütztes Werk im Sinne des Urheberrechtsgesetzes.
Der OGH sah dies anders: er hob in der Entscheidung 4 Ob 452/24m die unterinstanzlichen Urteile auf. Ihm zufolge erfordere das Fotografieren einer Postkarte ein Mindestmaß an gestalterischer Tätigkeit. Aspekte wie Standort, Entfernung, Blickwinkel, Belichtung und Bildausschnitt seien keine rein technischen, sondern kreative Entscheidungen, die (zumindest) den Schutz als „bloßes Lichtbild“ rechtfertigen würden. Er stellte fest, dass zwar – mangels Eigentümlichkeit – kein „Lichtbildwerk“ mit vollem urheberrechtlichem Schutz vorläge, dennoch aber ein Schutz als „bloßes Lichtbild“ (§§ 73 ff UrhG) gerechtfertigt sei. Der Professor hat daher die Verbreitung und Vervielfältigung des Buches zu unterlassen, solange es das Postkartenfoto beinhaltet.
Das Urteil des OGH verdeutlicht die Bedeutung des Urheberrechtsschutzes in der digitalen und analogen Welt und ist ein bedeutender Präzedenzfall. Es stellt klar, dass auch scheinbar einfache fotografische Werke schutzwürdig sind und die Rechte der Urheber respektiert werden müssen.
17.05.2024